– offene Fragen und kritische Anmerkungen zu:
Haltung und Nachzucht der Matamata, chelus fimbriata (Schneider, 1783) Peter Staljanssens & Jef Nij, (2012), Radiata 21(1),31-45
Die beiden Autoren haben sich sehr viel Mühe gegeben um in liebevoller Kleinarbeit das Aussehen und das Verhalten von chelus fimbriata ausführlichst zu beschreiben. Trotz dieses Bemühens wirft der Aufsatz viele Fragen auf; einige Aspekte der beschriebenen Haltung erscheinen mir zudem sehr suspekt. Ich werde versuchen diese Punkte kritisch zu betrachten und zu diskutieren.
Wichtig erscheint mir den beiden Autoren für mehrjährige und kontinuierliche Eiablagen bei chelus fimbriata meinen Respekt zu zollen. Es erscheint mir insofern wichtig dieses voran zu stellen, da ich mit meiner Kritik bzw. meinen Anmerkungen nicht nur „lieb“ sein werde. Zu gravierend erscheinen mir einige der beschriebenen Fehler oder Mängel in der Haltung der Tiere. Ich beschäftige mich nun seit fast 20 Jahren ziemlich intensiv mit chelus fimbriata. Viele Überlegungen während dieser Zeit änderten manche meiner Ansicht über die Haltung dieser Schildkröte, manche Ideen wurden verworfen, manche weiter gesponnen, mancher Rückschlag wurde eingesteckt. Ziel der folgenden Seiten soll es nicht sein die beiden Autoren zu entmutigen.
Noch in der Einleitung stellen die Autoren fest, dass es “ guter Pflegebedingungen bedarf, damit ihre Haltung erfolgreich ist.“ Grundsätzlich muss dieser Aussage bedingungslos zugestimmt werden. Was „gute Pflegebedingungen“ sind lässt sich weiter unten im Bericht lesen, aber leider nur bedingt interpretieren.
Ein erster Fehler hat sich auf Seite 33 eingeschlichen. KABISCH (1997) berichtet von einem ungewöhnlich großen Knochenpanzers einer Matamata, jedoch gibt er eine Länge von 46,5 cm an und nicht 64,5 cm wie in Zeile 3 zu lesen ist.
„Während der vergangenen fünf Jahre lebten die Schildkröten (3,2, erworben 1997, s.S.34 unten) gemeinsam in einem Aquarium mit den Maßen 210 x105x35 cm…)“. (S.35, Abs.2). Nachfolgend ist zu lesen: „Die Wassertemperatur wurde von Oktober bis Januar auf 20°C gesenkt.“ Eine Begründung für das Absenken der Wassertemperatur wird nicht gegeben. Eine kritische Betrachtung des Verbreitungsgebietes bei gleichzeitigem Heranziehen der Klimadaten in diesem Gebiet zeigt eindeutig, dass eine Absenkung auf 20°C über mehrere Monate keinen Sinn ergibt. Dass sich die Tiere der beiden Autoren während der „wärmeren Jahreszeit“ (S.35,Sp.2,1) mit „großen abgestoßenen Hautstücken“ häuten ist meiner Meinung nach der Tatsache geschuldet, dass die Tiere während der 3 bis 4-monatigen kühlen Periode nicht häuten konnten, weil sie einfach zu kalt gehalten wurden.
Die Eiablage wird mit Hilfe von Kalzium und Oxytocin ausgelöst (S.37 letzter Abs). Es wird auch hier keine Begründung angeführt warum die Eiablage medikamentös eingeleitet wurde. Oxytocin ist in Deutschland rezeptpflichtig und darf nur von einem Mediziner oder Veterinärmediziner verschrieben werden. Ohne besonderen Grund, den uns die Autoren leider verschweigen, betrachte ich die Gabe von Oxytocin „zur Stimulation der Eiablage“ (S. 37 re) im Sinne des Tierschutzes für nicht gerechtfertigt. Ich würde in diesem Fall das Anbieten eines geeigneten Landteiles zur Eiablage dringend empfehlen!
Auf S.39 wird die Inkubation beschrieben. Wieder schweigen sich die Autoren über die Beweggründe, warum die Eier vom 2.Dezember bis zum 27.Dezember bei nur 17-19°C gelagert wurden und erst danach in einen Inkubator mit 29°C überführt zu werden, aus. Zumindest sind sich die Autoren sicher, dass „die einleitende kühle Phase von 15 (?,25 Tage!) keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung hatte“.(S.44, 1.Abs.). Ich würde sagen wollen: Trotz Kühlphase gab es immer noch einen Schlüpfling der sich „warm angezogen“ hatte und überleben wollte.
Insgesamt scheint mir die Beckengröße für 5 Tiere nicht ausreichend, auch wenn die Autoren anderer Meinung sind. „Sie zeigten zu keinem Zeitpunkt Anzeichen von Stress oder Aggressivität untereinander.“ (S.35, Abs.3); „Bisweilen hatten wir sogar den Eindruck, die Tiere würden die Gesellschaft der anderen suchen“ (S.43 li, Abs.2).
Zwei grundsätzlich verschiedene Faktoren haben die beiden Autoren vermutlich veranlasst das Vorhandensein von Stress zu übersehen:
Fünf Tiere auf sehr engem Raum sind nicht mehr in der Lage auch nur annähernd ein Revier beanspruchen zu wollen. Bei einer Beckengröße wie beschrieben benötigen die Tiere nebeneinander liegend bereits rund 30-35% der Gesamtfläche. Sie können sich schlichtweg nicht aus dem Weg gehen! Auch bei mir liegen trotz 10 m² Fläche häufig einige Tiere direkt nebeneinander. Bei genauer Betrachtung erkennt man aber, dass die Tiere in der Ruhephase sind und lediglich den besten Platz mit bestmöglicher Deckung beanspruchen ( in der Regel den dunkelsten mit Deckung von oben!). Nur sehr selten schläft bei mir ein Tier in freiem Wasser außerhalb der Deckung.
Chelus fimbriata ist ein sehr ruhiger, fast möchte ich sagen, unauffälliger Pflegling. Nahezu alle Bewegungen außer Fressen wirken wie in Zeitlupe- auch Stresssituationen und Streitfälle. Schon das Drohgebären mit seitlichem Hochkippen des Panzers mit einhergehendem Krümmen des Halses um dem Gegenüber größer zu erscheinen ist eine gewaltige Drohgebärde und löst beim unterlegenen Tier genug Stress aus um die Nähe des dominanten Aggressors soweit als möglich zu vermeiden.
Einige Fragen stellen sich mir in puncto Wasserwechsel und Filterung (S.35)
Das Becken fasst gemäß den angegebenen Maßen bei einem angenommenen Wasserstand von 30cm ein Volumen von 660l. Ein Wasserwechsel findet nur zweimal im Jahr statt. Der pH-Wert wird zwischen 6,0 und 6,5 gehalten. Warum dieser Wert und wie wird dieser gehalten? Das Becken ist mit Styropor-Platten abgedeckt (S.36.Abs. 1). Warum die Abdeckung und warum, bzw. wie wird der Wert von 6,0-6,5pH gehalten? Ein leistungsfähiger Filter mit biologischer Stufe kann durchaus in der Lage sein eine Aufkonzentration von Schadstoffen zu verhindern. Leider findet sich zur Filterung nur ein sehr kurzer Hinweis: „Die verwendeten Pumpen dürfen daher nicht zu kräftig sein“ (S.35 r.o.). – Was immer der Leser damit anfangen soll bleibt unklar. Ich bin der Meinung , dass eine Aufkonzentrierung von Stickstoff nur über großzügig dimensionierte Biofilter oder über entsprechenden Wasserwechsel zu realisieren sind – jedenfalls bei der angegebenen Besatzdichte von 5 Tieren auf 2,2 05 m².
„Einer der wichtigsten Faktoren für die Vermehrung dieser Art in Menschenobhut ist die Einhaltung eines sich jährlich in gleicher Weise wiederholenden Zyklus‘ von Temperatur- und Lichtintensitäts-verläufen“ (S.37 Abs. 3).
Der ersten Hälfte dieser Aussage zu einem bestimmten, vorgegebenem Jahresrhythmus stimme ich uneingeschränkt zu. Tageslänge und Lichtintensität jedoch spielen meines Erachtens für Matamata nur eine geringe Rolle. Die größte Veränderung im Jahres-Rhythmus liegt in der Niederschlagsmenge und des daraus resultierendem Wasserstandes, der Strömungsgeschwindigkeit und des daraus korrelierendem Nahrungsangebotes. Aber keinesfalls süielen „Kühlphasen“ eine gewichtige Rolle.
Gemäß der Beschreibung wird die Haltungstemperatur „im Oktober…allmählich auf 20°C abgesenkt. …diese Bedingungen wurden dann bis Januar beibehalten.“ (S.37, Abs.3). Soll diese Temperaturabsenkung eine „Winterruhe“ bewirken und warum?
Für die artgerechte Haltung weniger relevant: „Bisse, die den Autorenwährend der Fütterung versehentlich zugefügt wurden, waren normalerweise nicht schmerzhaft“. In der Regel beißen die Tiere nicht, sie schnappen nach dem angebotenem Fisch. Wenn sie wirklich zubeißen, so ist dieses unzweifelhaft schmerzvoll ähnlich wie wenn man den(die) Finger in eine sich schließende Autotür bringt. Ich füttere meine Tiere seit einem Biss nur mehr mit Futterzange.
Diese Anmerkungen hätten eigentlich in der Radiata erscheinen sollen. Leider hat sich aus verschiedenen Gründen die Veröffentlichung über mehr als 1 Jahr verzögert. Aus Aktualitätsgründen haben wir letztendlich auf einen Abdruck verzichtet. Dennoch erscheint es mir im Sinne der Tiere wichtig, einige für mich nicht nachvollziehbare Denkansätze zu kommentieren und zu kritisieren.
Sepp Meier
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